Ein herzliches Dankeschön gilt der Schweizerischen Gesellschaft für Chirurgie (SGC), die seit vielen Jahren mit grossem Engagement die Einsätze junger Chirurginnen und Chirurgen finanziell unterstützt und damit einen bedeutenden Beitrag zur Förderung des chirurgischen Nachwuchses in der humanitären Arbeit leistet.
Von Lars Barenberg, 29.05.2025:
Vom Projekt der Swiss Medical Teams habe ich erstmals durch meinen Oberarzt erfahren, der 2023 mitgefahren ist. Die Idee hat mich sofort fasziniert, doch da er kurz darauf den Arbeitgeber wechselte, konnte ich dem zunächst nicht nachgehen. Im Laufe der Zeit habe ich auch Dr. Georg Liesch kennengelernt, der mir dieses Projekt nähergebracht hat. Er erzählte viel und zeigte Bilder von einem fremden Land, einer anderen Kultur, freundlichen, offenen Menschen und wie das Projekt dazu dient, diesen Menschen zu helfen. Ich wollte unbedingt Teil davon werden. Als er eines Tages im Büro der Assistenten fragte, ob jemand bereit wäre, mitzukommen, stand für mich fest: Ja. Unbedingt.
In Tadschikistan bestätigten sich die Erzählungen von Herzlichkeit und Gastfreundschaft. Dennoch war es für mich ein kleiner Kulturschock, da alles so anders war: eine fremde Sprache, eine andere Schrift, Verständigung nur mit Übersetzer oder mit Händen und Füßen sowie den wenigen Phrasen, die ich vorher gelernt hatte. Doch wir wurden mit offenen Armen empfangen und fühlten uns sofort willkommen. Im Krankenhaus herrschte generell eine sehr offene Atmosphäre; es wurde stets aufeinander eingegangen und gegenseitig geachtet. Ich fühlte mich nie verloren. Einen großen Anteil daran hatte sicher auch das großartige Team der SMT. Meine Kollegen standen nicht nur den tadschikischen Ärzten mit Rat und Tat zur Seite, sondern auch mir persönlich. So konnte ich meiner Aufgabe als Junior Surgeon gut nachkommen. Ich leitete den Nahtkurs und den Laparoskopiekurs, zeigte den Assistenten verschiedene Nahttechniken, brachte ihnen das Knüpfen bei und leitete sie bei Laparoskopieübungen an. Das war das erste Mal, dass ich aktiv unterrichtete und mein Wissen strukturiert weitergab. Ein ungewohntes Gefühl, da ich mich selbst noch in der Ausbildung befinde. Doch ich fand mich schnell in meiner neuen Rolle zurecht und wurde von den Ärzten vor Ort gut akzeptiert. Sie lernten schnell, zeigten Interesse und stellten gute Fragen, bei denen ich manchmal selbst recherchieren musste.
Zu meinen Aufgaben gehörten außerdem die Unterstützung bei den Morgen- und Post-OP-Visiten sowie die Mitarbeit bei Sprechstunden und Operationen. Besonders im OP begann ich nach dem Prinzip „See one, do one, teach one“ – nach einer Einweisung durch die Kollegen der SMT – aktiv bei kleineren OPs zu assistieren. Selbstverständlich war stets ein erfahrener schweizer Kollege mit am Tisch.
Mir wurde auch bewusst, dass die Veränderungen, die wir hier bewirken möchten, nicht von heute auf morgen eintreten werden. Teilweise mangelt es an Infrastruktur und finanziellen Mitteln für den Unterhalt, aber auch an Lehrmaterialien und Wissen. Für mich entsteht dadurch ein skurriles Bild: Man baut ein schönes, modernes Krankenhaus, doch die Chirurgen waschen sich vor der OP mit Seife, weil es kein Geld für Desinfektionsmittel gibt. Dialysemaschinen werden gekauft, doch das nötige Know-how und die Filter fehlen – die Geräte landen in der Abstellkammer. Die OP-Lüftung geht kaputt, es herrschen 40°C im OP – doch es gibt keine Gelder für die Reparatur. Stattdessen werden Klimaanlagen installiert.Dennoch hat es bereits einige positive Veränderungen gegeben: Das “Ein-Sieb-eine-OP“ -Prinzip wird mittlerweile häufiger angewandt, und moderne OP-Techniken ersetzen zunehmend die sowjetischen Methoden. Die Visiten und Sprechstunden sind zielführender und patientenorientierter geworden.
Es ist zu erwarten, dass die Entwicklung weiter voranschreiten wird. Der neue Klinikdirektor ist sehr interessiert, offen für Vorschläge und bringt die nötige Autorität mit, um Veränderungen durchzusetzen. Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut, und in zwei Wochen lassen sich keine Wunder vollbringen – doch es zeichnet sich deutlich ab, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Und es freut mich sehr, dass ich vielleicht einen kleinen Beitrag dazu leisten konnte.
Der Einsatz in Tadschikistan hat mich deutlich aus meiner Komfortzone geholt – das war mir vorher bewusst und auch ausdrücklich so gewünscht. Denn Wachstum findet nur außerhalb der Komfortzone statt. Ich habe das Gefühl, dass ich sowohl als Arzt als auch als Mensch an dieser Erfahrung gewachsen bin. Seit meiner Rückkehr werde ich oft gefragt, wie es war und ob ich wieder mitfahren würde. Meine Antwort ist: Es war eine unglaublich bereichernde Erfahrung. Ich habe viel gelernt, erlebt und gelacht. Ich würde sofort und ohne Zögern wieder an einem solchen Einsatz teilnehmen. Ich rate jedem, dem sich die Gelegenheit bietet, diese beim Schopf zu packen – denn diese Erfahrung bleibt ein Leben lang in Erinnerung.
Für diese unvergessliche Zeit möchte ich mich herzlich beim Team in Qubodiyon bedanken, das diese Erfahrung für mich so besonders gemacht hat. Nicht zuletzt danke ich auch dem Swiss Medical Team und der SGC, die mir diesen Einsatz überhaupt erst ermöglicht haben.
Vielen, vielen Dank!
Lars Barenberg